Mit dem Nightjet nach Wien

 

Hamburg – Wien – Nightjet – Juli 2021


Der Corona Winter 20/21 kam für mich überraschend, war eine Herausforderung. Lockdown, Restaurants geschlossen, keine Kultur, Ausgangssperre, Läden nur mit Kontaktverfolgung, teilweise auch geschlossen. Keine Gäste zu Hause, das hatte ich so nicht erwartet. Sicher, wir waren alle noch ungeimpft, liefen aber nun überall mit FFP 2 Masken und Abstand herum, zumindest in öffentlichen Räumen.

Wieso gingen die Inzidenzen so hoch, wo doch überall Maskenpflicht war? Abstandspflicht? Im Kino hatte ich geglaubt, allein zu sein, so viele Plätze mussten frei bleiben.

 Es blieb schleierhaft.

Mir ging es gut, auf hohem Niveau als Pensionärin, die nicht ständig z.B. mit Zoom Veranstaltungen geplagt war.

Ich verordnete mir eine Challenge, also eine Herausforderung, wenig Alkohol, abends keine Käse Exzesse zu später Stunde,

und - ein Nähprogramm. Stoff gemütlich ausgesucht vom Sofa, aus dem Internet.

Zwei Burda - Schnitte, Hose und Shirt, gingen in Serie...aus den Resten wurde Unterwäsche genäht.

Das klappte ganz gut.

Außerdem hatte ich die Idee mit dem Pavillon im Garten, in dem man eingemummelt und mit Wärmewesten versehen sich mit Freund;innen treffen konnte.


 

Ich erwischte mich aber bei abendlichen Spaziergängen, am Altonaer Bahnhof, nach den ÖBB Nightjets, also den Nachtzügen, Ausschau zu halten. Sie standen dort, zum Einsteigen bereit. Nach Wien, ohne Umsteigen. Gemütlich einsteigen, ein bisschen feiern, dann selig einschlafen und morgens ankommen.

Dann waren auch sie weg, wegen Corona vorübergehend eingestellt.

Im Internet fand ich dennoch die Bedingungen. Man konnte/kann ein ganzes Abteil mieten, z.B. für zwei Personen, inklusive Ticket sollte das dann für zwei Personen doch sage und schreibe 108 € kosten, also pro Person 54€, Ticket und Privatabteil! Hamburg-Altona-Wien. Wie toll ist das denn?

Schlafwagen geht natürlich auch, Luxus pur: mit weißer Bettwäsche, Frühstück morgens im Abteil serviert.

Schlafwagen sollte aber fast viermal so teuer sein. Na gut, Man hatte ja die Wahl.

Der Frühling zog sich hin, das Wetter war mies. Petrus war nicht so gnädig wie beim Corona Frühjahr 2020, uns mit bestem Wetter zu trösten.

Ich wartete auf die Impfung, schaute ständig ins Internet, ob ich nicht irgendwie den Pieks ergattern konnte, von dem ich die Befreiung erhoffte. Ende Mai war es dann so weit, zweimal geimpft. Ich war richtig euphorisch!

Auf der Straße, dem Bürgersteig, wich ich den Menschen nicht mehr auf die Fahrbahn aus, ging einfach mitten durch.

Maske noch prophylaktisch, na gut.

Hallelluja!

Im Juni fuhr ich dann erst mal nach Freiburg, mit einer Freundin auf den Ringlihof, den Ziegenhof, den ich seit Jahrzehnten kannte, wir wollten wandern. Auch da machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung, und, mitten in einem Unwetter gestrandet, reduzierten wir unsere Wanderlust auf mehr oder weniger lange Spaziergänge, und kehrten abends freudig in unserem Lieblingsitaliener, dem „Grünen Baum“ in der Lorettostr. in Freiburg ein. Freund;innen treffen, in meiner zweiten Heimat, auch schön.

Zurück in Hamburg, war es denn so weit:

Mit dem jüngeren Sohn nach Wien, wir hatten gebucht, Luxus Schlafwagen hin, einfach Privatabteil zurück sollte es sein.

Ich freute mich, kaufte ein, Wein, Käse, Brot, Oliven und getrocknete Tomaten. Einfach nach Altona zu Fuss gehen und einsteigen, Eigenes Abteil, Zug fährt los, der Korken knallt.

In letzter Zeit gibt es vor Reisen bei mir immer was Neues, also Flugreisen sowieso, vor den Flügen nach Kapstadt war ich immer 4 Wochen aufgeregt und unterschwellig angespannt gewesen, aber klar, zum Flughafen mit der Bahn, einchecken, Security, langes Warten vor dem Gate, an Bord gehen, langes Warten bis das Flugzeug abhebt, umsteigen, wieder warten, dann die lange Strecke eng sitzen, nicht schlafen können, sich ablenken, durchhalten, ankommen!

Ankommen ist natürlich toll, die Sonne scheint, der Flieger schwebt über dem Meer, wow. Die Mühe hat sich gelohnt!

Gut, nun wollte ich mir das Fliegen ersparen, einfach nur am Altonaer Bahnhof einsteigen, Wein trinken, Käse essen, später die Beine ausstrecken, im richtigen Bett. Und das Größte, der Zug fährt einfach los, ohne großes Getue! Beim Rausschauen bekommt man jeden Meter Landschaft mit, ganz entspannt!

Komischerweise war doch alles nicht ganz so entspannt, es gibt bei mir so etwas, wie eine gewisse Muffigkeit vor Reisen, auch manchmal Ängste... also ich hab das mal personifiziert. Ich nenne sie, die Muffigkeit und Anspannung, meine Sister Sorrow, Schwester Sorge, die mir was einflüstert, wenn ich doch in freudiger Erwartung sein möchte.

Ständig läuft sie mir zwischen die Beine und flüstert Überflüssiges wie: „Was ist, wenn du wichtige Sachen vergisst? Am schlimmsten das Handy, das hatte ich doch tatsächlich mal auf einer Reise nach Kapstadt zu Hause auf dem Sofa liegen lassen. Gleich ein neues gekauft auf dem Flughafen.

Heute geht das ja gar nicht mehr: Das Ticket ist drin, ich druck nichts mehr aus, dann die Mails, wo alles drin steht über die Unterkunft etc, die Apps, die Chatverläufe...

Na gut Sister Sorrow, ist ja was dran. Früher, mit dem Auto, war es auch irgendwie einfacher, bei Familienreisen haben wir immer gesagt, Hauptsache, wir haben die Wertsachen dabei, alles Andere kann man irgendwie kaufen, zur Not.

Na ja, heute, meine Blutdrucktabletten, diverse Medikamente...die Zahnschiene... ist ja gut, Sorrow, habe verstanden.

Deswegen mache ich mir ja auch immer eine Liste.

Trotzdem hab ich neulich die Zahnschiene vergessen, obwohl sie doch eigentlich auf der Liste stand. Aber meine Mitbewohnerin hat sie mir nachgeschickt, nach Freiburg, ging auch.

Wir sind aber eigentlich bei der Abreise nach Wien, Koffer ist gepackt. Sohn kommt etwas später als gedacht, Sister Sorrow rauft sich schon die Haare, aber es klappt. Zu Fuss nach Altona, Zug steht schon da, einsteigen! Ein sehr freundlicher Kellner empfängt uns mit zwei Piccolos. Das ist doch mal ein Service! Selbst Sorrow sagt nix und scheint sich zu entspannen.

Die Oliven und die getrockneten Tomaten hab ich vergessen. Mist, aber macht nix! Sorrow schaut aus dem Fenster, wir überqueren gerade die Alster. Käse, Sekt und Brot ist doch auch schon was!

Der Kellner hatte gesagt, wir sollen bescheid sagen, wenn er die Betten ausbreiten soll, dann kann man ja nicht mehr sitzen. Das Abteil für zwei Personen ist klein, aber fein.

Beim Einschlafen denke ich daran, wie toll es ist, die Beine bequem in kuscheliger Bettwäsche ausstrecken zu können und dabei sozusagen von einem Ort zum anderen zu gelangen.

Ich wache kurz auf in Würzburg und Linz, freue mich und schlafe selig wieder ein.

Morgens melde ich mich beim Schaffner, und er bringt das Frühstück. Musste man am Abend vorher aussuchen, ankreuzen auf einem Zettel. Alles eingepackt, ein bisschen wie im Flugzeug, aber in Ordnung. Kaffee! Toll!

So gondeln wir langsam nach Wien. Hauptbahnhof, aussteigen,

Wo lang jetzt? ?

Zuerst mit der U-Bahn in die gemietete Wohnung Nähe Westbahnhof, Airbn'b. Altbau, renoviert, modern eingerichtet, Wohnzimmer mit Bettsofa, Schlafzimmer, Küche, Bad, sehr stilvoll und sauber, das Ganze für 50€ pro Tag. Wir sind sehr zufrieden.

Sohn spielt den Navigator, er lotst uns mit seinem Smartphone perfekt von A nach B. Könnte ich ja auch, dauert nur länger, Lesebrille auf, Lesebrille ab, und mit google Navi bin ich ein bisschen blöd, ich bevorzuge den altmodischen Stadtplan.

So ist alles entspannt. Ich gucke trotzdem ins Internet, um ein paar Highlights zu finden. Z.B. das Kaffeehaus Jelinek, ganz toll. Wie ein altmodisches Hippie Café eingerichtet, aber exzellente Angebote, z.B. verspeisen wir dort die erste Sachertorte. Mit Sahne. Und der Service, ausgesprochen freundlich und professionell.

Ich liebe es ja, durch die Straßen einer Stadt zu flanieren, für Kulturangebote hab ich gar keine Zeit. Das ruft bei meinen Freund;innen regelmäßig Erstaunen hervor. Sie haben schon vor Anreise ihre Tickets für Theater und Konzert gebucht, möglichst sogar die Ausstellung, damit der Terminkalender steht. Da bleibt kein Auge trocken, pardon, kein Zeitfenster offen.

Nun gut, ich riskiere die erhobenen Augenbrauen und fühle mich dabei prima.

Ein alter Freund aus Freiburger Tagen, Michael Rohrwasser, wird besucht und hat für uns gekocht, sein Sohn ist dabei, meiner ja auch, es wird ein anregender Abend im Freien, wir dürfen sogar zum legendären Treffen mittwochs morgens mit Helmut Lethen dazu kommen, und am Abend treffen wir uns nochmal im angesagten Schnitzel Restaurant. Das Kennen von und Verabreden mit Einheimischen, sozusagen, liebe ich sehr, es ist für mich das Highlight beim Reisen.

Den Rest der Zeit verbringen wir mit Ausflügen, in den Prater, auf den Berg, das Wetter ist schön und sommerlich warm, am letzten Abend geht es zum Heurigen.

Ich studiere im Internet die Frühstücksangebote, wir sind uns einig, das beste Frühstück gibt’s im Café Jelinek. Und abends nach dem Schnitzel sitzen wir im Jelinek draußen bei grünem Veltliner, hier sitzen auch die Leute allein, mit einem Buch oder einer Zeitung, sehr angenehme Atmosphäre, Kaffeehausflair eben.

Am letzten Tag gehen wir im Park vom Schloss Schönbrunn bei herrlichem Sommerwetter spazieren. Welch ein Prunk! Welch ein Reichtum! Der Sohn mokiert sich ein bisschen über Zeiten, in denen reiche Menschen sich solch riesige prunkvolle Denkmäler gesetzt haben.

Ich nicke, woher hatten sie das ganze Geld? Eroberungen, Ausbeutung, Sklaverei. Ja . Klar.

Immerhin kann man sich heutzutage kostenlos im Park verlustieren. Ich sehe Freundinnen, die sich auf einer Gartenbank unterhalten, einen Kaffee in den Händen, das sieht sehr schön aus. Treffen wir uns im Park Schönbrunn, und machen Picknick auf einer Bank, ja, das geht heute alles.

Die Rückfahrt erwartet uns am Abend, diesmal soll es ja die preiswertere Variante sein, das Privatabteil. Wir futtern , trinken diesmal profanes Bier und schauen in die Sonnenuntergangs Landschaft. Ziehen die Sitze heraus und legen uns auf das drei Sitze breite Bett. Wir schlafen prima in unseren Schlafsäcken, es geht auch ohne Schlafwagen Luxus. War aber schön, es trotzdem mal erlebt zu haben.

Der Zug rollt nach Hamburg-Altona, vorher Kaffee beim Schaffner, oder sagt man Zugbegleiter? Es ist Samstag, die Sonne scheint, und wir gehen zu Fuß nach Hause.

Hat super geklappt, ich denke schon an die nächste Reise, Schwester Sorge summt ein kleines Liedchen aus dem Wiener Wald.


Ich gebe meinen Reisebericht meinem Alter Ego, Katharina, zum Lesen. Sie liest, grinst manchmal ein bisschen. Sorrow ist verschwunden.

„Deine größte Begeisterung scheint ja das Zugfahren zu sein, also das Nachtzugfahren, so kommt es mir vor. Aber was ist mit Wien? Die Eindrücke von Wien sind vielleicht ein wenig zu kurz gekommen? Sagen wir mal so, ich könnte mir da noch mehr vorstellen.“

„Ok, stimmt. Wien war symphatisch, von der Atmosphäre her, Jede Menge Geschichte, großartige Kultur, die ich allerdings vernachlässigt habe, du weißt ja, dass ich so gerne durch die Straßen schlendere, mal im Café einkehre, mal im Restaurant..., abends ein Weinchen im Caféhaus, dazu noch draußen sitzen, schön warm, .... Der Sohn meinte ja, es sei eine Mischung aus Berlin und Freiburg, damit kann ich was anfangen, gemütlich wie Freiburg, Berge drumherum, Heurigen, Landgasthöfe, überall was zu essen... andererseits großstädtisches Flair und kulturell bedeutend wie Berlin..

Auch das Essen, hier werden die Traditionen hoch gehalten, eher wie in Freiburg, regionale Köstlichkeiten, Schnitzel, Tafelspitz, Sachertorte. Auch die Sprache gefällt mir, nimmt sich Zeit, sanfte, aber ausdrückliche Betonungen..., eben sympathisch.

Hat auch was vom Süden, interessant die östlichen Nachbarländer, Tschechien, Ungarn...Budapest und Prag nicht weit, Italien...“

Katharina daraufhin:“ Nun ja, ich war ja auch dabei, (hüstelt) und mit deiner Schilderung kann ich jetzt mehr anfangen. Mir gefiel Wien auch, sehr, und die perfekte Anbindung jetzt mit dem Nightjet, könnte einen auf den Geschmack bringen, dort mal... spontan...öfter...hinzufahren.

Ich nicke: „auf jeden Fall!“

Sogar Schwester Sorge macht einen zufriedenen Eindruck.





 

Bahnhopping im Oktober 23

Ihr Lieben! Mein Bahnhopping im Herbst 23 Der Oktober ist zum Reisen da, nicht zu heiss, aber auch noch warm. Am 7. Oktober nach Regensburg,...

Annas Bücher

Annas Bücher
gesammelte Texte